Warum ein kollektiver Rechtsschutz in der Schweiz?

1. Die aktuellen Instrumente funktionieren nicht

Wie der Bundesrat in seinem Bericht aus dem Jahr 2013 betonte, sind die bestehenden Instrumente für Massenschäden ungeeignet. Sie befreien Einzelpersonen nicht von der finanziellen und persönlichen Last, die mit einem Verfahren verbunden sind. Ausserdem können Verbände keine Entschädigung für die Geschädigten verlangen, und das Klagerecht des Staatssekretariats für Wirtschaft erwies sich in Fällen von unlauterem Wettbewerb als sehr beschränkt.

Diese Lücke zeigte sich besonders bei der Insolvenz der Lehman Brothers bzw. beim Dieselskandal – zwei Fälle, bei denen die FRC sich etwas einfallen lassen musste.  Seite über den VW-Skandal (auf Französisch).

In einer globalisierten Wirtschaft, in der die Handlungen eines Unternehmens Tausende von Menschen gleichermassen betreffen können, ist ein Mechanismus zur kollektiven Verteidigung unerlässlich.

2. Kollektivverfahren bringen zahlreiche Vorteile mit sich

Ein kollektiver Rechtsschutz ermöglicht:

  • Einen besseren Zugang zum Recht. Der kollektive Rechtsschutz ist der einzige Weg, um bei einem Massenschaden den Grundsatz des Zugangs zum Recht wirksam zu machen und um einer geschädigten Person, unabhängig von ihren finanziellen oder persönlichen Mitteln, eine Entschädigung zu ermöglichen.
  • Die Justiz entlasten. Die Durchführung eines einzigen Verfahrens für alle geschädigten Personen verursacht weniger Rechtskosten, als eine Fülle ähnlicher Verfahren im ganzen Land. Dies garantiert eine einheitliche Anwendung des Gesetzes und verstärkt die daraus resultierende Rechtssicherheit.
  • Schaffung eines Anreizeffekts. Wenn unfaires und schädliches Verhalten öfters vor Gericht gebracht wird, werden Unternehmen eher das geltende Recht einhalten. Wenn umgekehrt der Schädiger mit der individuellen Entmutigung der von ihm geschädigten Personen rechnen kann, wird er sein Verhalten in Zukunft nicht anpassen um respektvoller zu sein.
  • Gewährleistung eines gesunden Wettbewerbs. Unternehmen, die sich auf dem Markt gut verhalten, leiden unter dem Verhalten derjenigen, die das Recht nicht respektieren und sich auf Kosten aller bereichern.

3. Die Lage in Europa entwickelt sich

Derzeit verfügen 19 europäische Länder über einen Mechanismus, der es den Menschen ermöglicht, ihre Rechte gemeinsam auszuüben. Darüber hinaus werden bis 2023 alle Konsumenten in den 27 Mitgliedstaaten ihre Rechte kollektiv durchsetzen können, gemäss der Richtlinie (EU) 2020/1828.

Gegen ein schweizerisches Unternehmen ergangene Entscheidungen werden laut Lugano-Übereinkommen im Inland anerkannt. Es wäre ungerecht, wenn die Schweizer:innen im eigenen Land weniger Rechte hätten als die Einwohner:innen ihrer Nachbarländer.

Die Frage des kollektiven Rechsschutz lautet nicht mehr: «Brauchen wir diesen Mechanismus in der Schweiz» sondern: «Welches Modell setzen wir um»